Friday, February 1, 2013

Posted by mañanitas |

Mir ist bewusst, dass sich das Ganze „Blog“ und nicht „Roman“ nennt; dennoch muss ich in diesem Beitrag MÄCHTIG viel loswerden, da es nun endlich um das gehen wird, das mich bisher am meisten bewegt hat und bewegen wird. Meine Arbeit im Casa Hogar.

Wie bereits angedeutet, hatte meine Gastmutter so einige Bedenken, was den Transport nach Tláhuac, dem Viertel von Mexiko-Stadt, in dem das Heim gelegen ist, sowie.. der Ortschaft an sich angeht. Ich sei sehr hübsch (Ansichtssache, in diesem Fall die mexikanische) und noch sehr jung und sie mache sich Sorgen wegen „Leuten mit schlechten Absichten“, allerdings müsste ich, um dorthin zu kommen, mit allen erdenklichen Vekehrsmitteln fahren (Bus, Metrobus, Tram, Taxi).
Die Gefährdung, nicht in dem Projekt, auf das ich mich bereits so lange freute, arbeiten zu können spürend , versuchte ich - auf Spanisch - zu formulieren, dass der soziale Freiwilligendienst der Grund sei, warum ich nach Mexiko gekommen bin. Wir lösten das Problem, indem sie die Direktorin anrief, ein Gespräch, das ich gebannter als den Film „The Sixth Sense“ (und DAS will was heißen!!!) verfolgte. Als Resultat hat sie sich beruhigen können, 1. sei nicht das ganze Viertel so gefährlich und 2. verließe ich das Heim sowieso nicht (..nicht ganz, aber dazu später). Trotzdem würde mich der Chauffeur bringen. Okay!

Am Montag also, es sollte 9 Uhr losgehen, wir fuhren aber schon HALB 9 ab, kaum zu fassen, brachte der Chauffeur zuerst den Gastpapa zur Arbeit, dann Bow zu ihrer vom Urlaub zurückgekehrten Gastfamilie – problemaaaatisch war das, die Straße zu finden – und schließlich ging es ab nach Tláhuac.. dass im Verkehr Mexiko-Stadts Blinker am Auto, durchgezogene Linien oder manchmal auch rote Ampeln nur Deko sind und man die Fahrt, aufgrund der Fahrweise, auch als Film in einem 4D-Kino zeigen könnte, ist eigentlich kein Geheimnis. Was mich jedoch immer noch erschreckt, sind Polizeiwägen, auf deren Ladefläche Polizisten mit ihrem geladenen Gewehr stehen. Ich meine, klar, sie sind zum Schutz da, aber ich persönlich komme nicht ganz drum herum, mir Gedanken darüber zu machen, was eben diesen Schutz erfordert (Mama und Papa – entschuldigt, keine Sorgen machen!) Ansonsten – schöne Fahrt! Irgendwie. Bei den zu diesem Zeitpunkt aktuellen Spanischkenntnissen (dazu auch noch später..) kostete es mich immer noch sowohl Überwindung, als auch Überlegung, einen Satz zu formulieren, ich fragte aber trotzdem irgendwann mal nach, ob auf dem eingestellten Sender nur geredet oder auch Musik gespielt würde. Er erklärte mir, er höre das, um über die gegenwärtige Situation des Straßenverkehrs Bescheid zu wissen. Da wir uns aber schon auf der Hauptstraße nach Tláhuac befanden, benötigte er das nicht mehr und schaltete um.
Und dann.. ich weiß nicht, vielleicht lag es daran, dass die Sonne gerade herauskam (sodass kurz danach sogar die Klimaanlage angeschaltete werden musste) oder an dem Lied von Crowded House, das ich so mag, und dass der Fahrer es lauter stellte, als ich (nach erneuter reichlicher Überwindung) äußerte dass ich es mag, ABER: Mir wurde DERmaßen warm ums Herz in diesem Moment. Was hatte ich für ein Glück, diese Möglichkeit zu haben, hier in Mexiko zu leben und zu arbeiten und das auch noch für einen guten Zweck. Den Rest der Fahrt schaute ich mich viel um, und ging im Kopf nochmal durch, was ich sagen wollte, um mich den niñas vorzustellen. 

Angekommen, (allerdings zunächst erstmal schnurstracks vorbeigefahren), half mir der nette Fahrer, für den ich mittlerweile viel Sympathie empfand, meine sieben..tausend Sachen auszuladen. Von außen, muss ich sagen, sieht das casa hogar nicht sonderlich einladend aus. Innen ist hingegen alles ganz anders, allein durch die Atmosphäre (ratet mal! – dazu später. Sogar gleich!). Der Chauffeur kam noch mit herein, um mit den Monjas zu reden. Achso! Fast vergessen. Zwischeninfo: im Heim leben 4 Nonnen (monjas, oder, von den Mädchen, madres genannt), eine davon ist die Direktorin. Ich gab mein breitestes Lächeln zum Besten, was mir auch nicht sonderlich schwerfiel, da ich ja tatsächlich total positiv-aufgeregt war.
Nachdem ich alle begrüßt hatte, tat ich etwas total Offensichtliches... Ich fragte erstmal nach dem Bad. Ich mein, 2 ½ Stunden Fahrt, das ist halt so! Wenn man aus dem einen Teil des Gebäudes herausgeht, ist man sofort im Hof, wo sich auch bereits meehrere der niñas aufhielten, denen ich aber verschüchterterweise nur einen flüchtigen Blick zuwarf.
Als ich zurückkam (bitte nicht denken, dass so viel Zeit vergangen war :P), hatten sich alle Mädchen in Reih und Glied im Esszimmer versammelt, aufgestellt hinter ihren Bänken. Hatte ich geschrieben, dass mir auf der Hinfahrt warm ums Herz wurde? Was kann ich sagen, in diesem Moment wurde mir ebenfalls warm um die Niere, Leber und in ausnahmslos allen Arterien und Venen. Gott, war das herz- nein, organerweichend!!! Wie sie alle (35!!) verlegen und geniert gen Boden schauten, während sie mich im Chor nicht nur begrüßten, sondern quasi eine ganze Rede hielten. Alles ziemlich diszipliniert, aber irgendwie doch natürlich. Danach sagte jede, die wollte (..okay, vielleicht wurde es ihnen im Vorfeld auch aufgetragen :D) und sich meldete noch etwas. Ich versuchte so viel wie möglich zu verstehen, alles ging in Richtung „wir hoffen, dass du dich wohlfühlst“, „wir werden uns bemühen, uns immer gut zu benehmen“, „wir möchten, dass es dir hier gefällt“ etc etc. Oh Mann, ich war hin und weg, und sagte ständig bloß „muchas gracias“. Außerdem erbat ich das Wort, um zu sagen, dass ich zwar nicht alles verstehen könne, ich jedoch das, was ich auffassen kann, sehr nett (ja mir ist tatsächlich nichts Besseres als 'simpático' eingefallen..) fände, und, um mich anschließend doch noch vorzustellen. Ungefähr die Hälfte von meinem Zurechtgelegten hab ich natürlich vergessen. Aber der Wille ist es, der zählt, nicht wahr!
Die madres nickten mir ermutigend zu, die Mädchen traten ab. Also, man kann es wirklich als Abtreten bezeichnen. Danach saß ich mit den einer der madres am Tisch (die anderen gingen außer Haus) und wir redeten.. mehr oder weniger. Puh, zu Beginn war alles ziemlich hart mit dem Spanisch. Hunderte Male nachfragen, eigene Gedanken überhaupt nicht äußern können.. Inzwischen denke ich nicht jedes einzelne Mal nach, bevor ich etwas sagte, oft zwar, natürlich, vor allem wenn ich mit den madres spreche und komplexere Sachverhalte anspreche, aber gegenüber den Mädels flutschen schon viele Wendungen einfach so aus mir heraus. Was mich erstaunt, ist, dass ich mich gar nicht so sehr daran störe, mich nicht, wie im Deutschen, gewählt (im wörtlichen Sinne, die Auswahl haben) artikulieren zu können. In den hintersten Ecken des eigenen Gehirns nach Wörtern zu suchen, die man bisher wahrscheinlich nur einmal gehört hat, ist ja auch eine wunderbare Herausforderung für sich :D
Aber weiter zu meinem ersten Tag im Heim. Madre Lulú gab mir eine kleine Führung, und da es sich dabei ums Zeigen dreht, verstand ich auch alles. War trotzdem ganz schön angespannt und unsicher. Allerdings natürlich immer freundlich bleibend! Gut. Die niñas waren im Unterricht und ich saß da also mit der madre. Wieder mal Mut zusammennehmend, fragte ich, ob sie auch Gitarren da hätten (wusste ich bereits.. dazu .. ein Andermal.), woraufhin wir zusammen eine holten. Nachdem ich sie kurz gestimmt hatte.. hach.. was soll ich sagen. Home is, where the guitar is. Na gut, nicht wirklich. Aber es tat einfach wirklich gut.

Nun zu dem Allerwesentlichsten. Die erste wahrhaftige Begegnung mit den niñas. Und zwar gab es, um 13 Uhr, Mittagessen und ich half beim Austeilen. Ich wurde mit wahnsinnig vielen Fragen bombardiert: Bin ich Deutsche und wie alt bin ich (wieso habe ich auch gerade das bei der Vorstellung vergessen..), hab ich mir die Haare gefärbt, wie möchte ich mein Baby nennen (wtf?) … etc. Außerdem wurde ich angefleht, mich doch zu ihnen zu setzen, allerdings verneinte die madre dies, nachdem ich sie fragte. Also setzten sie ihr Interview einfach fort, indem sie sich (wie ich inzwischen einschätzen kann) besonders oft Essen nachholten. Nach dem Essen half ich beim Abwasch, und da kamen dann endgültig alle zu mir.
Von der anfänglichen Distanz war kaum noch etwas zu spüren. Kleine Engelchen, die mich permanent beäugten und anlächelten, mir zuwinkten und mich weiter mit Fragen löchterten. Die ganze Knuddelei, die mit zum Alltag gehört, fand auch schon ihren Beginn. Hand halten, mit Haaren rumspielen, umarmen, Küsschen geben, alles nur erdenklich Liebevolle! So was Liebenswertes, ich kann das eigentlich gar nicht in Worte fassen. Das klingt alles bestimmt furchtbar kitschig, aber es ist einfach so. Ich selbst fühle mich dermaßen geborgen hier, da fällt es mir alles Andere als schwer, ihnen das, so gut ich nur kann, zurückzugeben.
Den Tag lang gesellten sich immer wieder Scharen um mich, ich weiß, dass es typisch ist, einige von euch haben bestimmt schon andere Blogs dieser Art gelesen, aber es ist dennoch erstaunlich am eigenen Leib zu erfahren, wie sie auf so einen hellen, exotischen Menschen reagieren. „Me gusta tu pelo.“ „Me gustan tus ojos“. (Irgendwann habe ich gesagt, „a mí, me gusta TU pelo!“ hihi haben die große Augen gemacht). Andauernd kam eine kleine chiquita, um mir mit einer Zeichnung ihre Zuneigung zu beweisen. Ich hatte also keinen einzigen einsamen Moment.
Ach Mensch, ich wünschte, ihr könntet sie erleben, diese Kröten. Ich kann ihnen keinen einzigen Wunsch abschlagen, sei es Seilspringen, die Beantwortung ziemlich doofer Fragen, Vorlesen einer ZWEITEN Geschichte, Versteckespielen.. oder auch das, was sie „Manikür“ nannten (das ist jetzt über eine Stunde her und mein Gesicht trieft immer noch von der Fettcreme, die sie mir raufgeschmiert haben). Wenn ich von einem Ort, beispielsweise meinem Zimmer, zu einem anderen gehe, beispielsweise der Küche, rechne ich den normalen Weg von 1 Minute immer mal 10 → 10 Minuten, da stets ein paar oder auch mehr Racker kommen, um sich an meine Beine zu klemmen, sodass ich meistens auch nicht mehr vorwärts komme.

Ich hoffe, niemand hat mehr Bedenken, dass es mir hier nicht gut ginge, ich bin fröhlich, wenn ich aufstehe, ich bin zufrieden, wenn ich zu Bett gehe und wirklich die ganze Zeit über( )glücklich. Was noch gesagt werden muss: Unterricht gebe ich noch nicht, da ich erst alles kennenlernen soll; aus ähnlichen Gründe darf ich auch erstmal bis 8 schlafen.

Was ich am Wochenende vorhabe - meine Gastfamilie wird verreisen und ich muss am Sonntag auf jeden Fall im Heim sein, da hier Montag eine große Geburtstags-Fiesta für den Gründer des casa hogars stattfindet, daher fahre ich nicht mit – sowie alles Andere, was ich bisher aufgeschoben habe, wie z.B. den Tagesablauf hier, beschreibe ich euch dann wieder im nächsten Teil. Was das Bilderschießen angeht; mir wäre etwas unwohl dabei, Fotos von den Mädchen hochzuladen, habe überhaupt noch gar keine hier gemacht, ich denke, ich werde mich auf die Räumlichkeiten hier beschränken. Macht es gut, ich halte mich ran. Ich hoffe, mein Geschriebenes kann auch nur ein Zwanzigstel, von dem, was hier so geschieht, festhalten und ein Bild für euch schaffen. Ich bin erst seit 4 Tagen hier und habe die Kleinen schon so in mein Herz geschlossen, was wird in einem Jahr sein? 

Vamos a ver. 

Gedanke des Tages, für Ava: Egal, wohin du gehst, du wirst bemerken, dass jeder die Sprache der Liebe spricht. Gittihgitt! ;)

0 Kommentare:

Post a Comment