Thursday, January 31, 2013

Posted by mañanitas |

Einmal kurz vorweg etwas Wichtiges:

Ich habe zwei Tage vor meiner Abreise von meiner Gastfamilie erfahren. Nein, das ist verhältnismäßig nicht spät, denn nur zwei von uns fünf haben überhaupt Infos bekommen, es hieß lediglich, wir hätten jede eine. Der von meiner Gastfamilie ausgefüllte Bogen, sowie ein beigelegtes Foto steigerten meine Vorfreude enormimísimo. Einziges Manko war und ist, dass sie an die zwei Stunden entfernt von meiner Arbeit wohnen. Unser vorläufiger Kontakt bestand aus zwei Mails, jeweils einer von mir an sie und einer Antwort von ihnen.

Bueno. Sicherlich kennt Ihr alle dieses Klischée, von wegen Lateinamerikaner kämen grundsätzlich zu spät, schöben Aufgaben auf, seien einfach keine Organisationstalente? … Leider alles verdammt nochmal wahr!

Den einen Tag redeten wir noch mit unseren AFS-Verantwortlichen darüber, dass die Mexikaner alles etwas lockerer nähmen. Bezeichnend dafür sei das Wort „ahorita“, welches in etwa.. „gleich“ oder „bald“ oder „in einer Stunde/Woche/Monat“.. oder eben auch „nie“ bedeuten kann. Am Tag unserer Abholung, nach einem mehr oder weniger abrupten Ende unserer Feedbackrunde, kamen wir dann in den Genuss einer Präsentation genau dieser Attitüde – während die non-Mexikostadt Leute mit dem Bus losfuhren, blieben Rebecca und ich zurück, ohne jegliche Informationen, wann und OB uns denn jemand abholen käme. 
Nicht, dass wir es schlecht gehabt hätten, die Sonne schien freundlich in den hübschen Garten unseres Hotels, wir hatten es bequem.
Zeit sinnvoll überbrückt
Die Stunden verstrichen und wir hatten bereits eine sarkastische, schützende Sichtweise auf unser „Schicksal“ entwickelt. Rebecca erfuhr am Tag zuvor, dass sie vorübergehend (hier auch so ein spezielles Wort) bei ihrem Chef wohnen würde. Bot natürlich auch viel Potenzial für diverse Witze der Resignation. Zwischendurch gesellte sich eine thailändische Austauschschülerin zu uns, eine von den vielen, die sich miteinander auf Spanisch unterhielten, da sie bereits 5 Monate hier verbracht haben. Als ich nach einer stolzen Minute in spanische Erklärungsnot geriet und deswegen Englisch einfügte, zeigte sie sich jedoch ziemlich erleichtert, da sie ebenfalls besser Englisch spricht.
"Ich setz mich mal hierhin, das kommt gut, wenn noch
einige Bäume hinter mir zu sehen sind!"

Kurz nach Beginn der Konversation wurde Rebecca abgeholt, ich unterhielt mich noch länger mit der Thailänderin, bis schließlich ein Mädchen und eine Frau, die denen auf dem Bild meiner Gastfamilie sehr ähnelten, auftauchten. Jaaaaaa sie waren es. Dann verlief alles etwas eigenartig. Die Thailänderin (sie heißt Bow, ich muss sie sowieso noch öfter erwähnen :D) ging auf sie zu, stellte sich vor, die beiden wiederum waren total aus dem Häuschen aufgrund ihrer Nationalität, während ich im Hintergrund stand und, ziemlich verwirrt und garantiert ein wenig idiotisch wirkend, breit lächelte und winkte. Eine ganze Weile später verstand ich, woher ihre Begeisterung rührte – meine Gastschwester, Sofía, würde in einem halben Jahr nach Thailand gehen. War aber bis ich das verstand reichlich iritiert, dass sie auf einmal ebenfalls, von meiner Gastfamilie, abgeholt wurde (ihre eigene Gastfamilie war verreist, sie hätte sonst im Camp bleiben müssen).

Im Auto staunte ich immer mal nach links und rechts, zwischendurch unterhielt ich mich, eher vereinzelt, mit Bow und meiner Gastfamilie. Aber so langsam besserte sich mein Gefühl. Spätestens, als wir in Satélite, meinem Wohnort für die Wochenenden, ankamen, war ich absolut euphorisch. Das Haus aus ist ziiiiiiemlich groß und wahnsinnig schön. Naja und außerdem haben sie 3 Autos und einen Pool. Das ist zwar nicht das, wofür ich nach Mexiko gekommen bin, aber, sagen wir mal, traurig war ich auch nicht darüber. Meine Gastschwester gab mir (..und der Thailänderin) eine bilinguale Führung durchs Haus, im Übrigen ist sie wirklich liebenswert und nebenbei auch eine Entspannung für mich gewesen, da ich mit ihr Englisch sprechen kann..später fuhren wir in den Sports- bzw. Golfclub, den mein Gastvater gern aufsucht, um dort überaus delikat zu essen. Ich verbrachte dort, aber auch überhaupt an diesem Wochenende, viel Zeit mit Sofía und Bow, mit denen ich mich prächtig verstehe, wenn man auch den kleinen Altersunterschied von 3-4 Jahren nicht vollkommen ausblenden kann.
Sofía und Bow
normalerweile sehen sie ziemlich knuffig aus
Der Tag klang wunderbar aus. Der erste Eindruck, den ich von meiner Gastfamilie hatte, bestätigte sich, sie sind echt alle sehr lieb. Am nächsten Tag fuhren wir ins centro comercial von Satélite, was im Prinzip so was wie die Innenstadt ist. Auf meine Bitte hin besorgten wir unter Anderem eine SIM Karte, außerdem konnte ich Geld wechseln und noch zwei Bücher zum Vorlesen im Casa Hogar kaufen. Tacos essen war natürlich auch Teil des Ausflugs. Mann, das war alles echt schön. Meine Gastgeschenke (Deutschlandkalender - ziemlicher Standard - Lachgummis+Gummibärchen, Sanssouci-Mousepad, Hundeleckerlis und eine CD von Clueso, die sich meine Gastmama gleich zwei Mal hintereinander! anhörte) haben Ihnen zum Glück sehr gut gefallen. Ein kleines Problemchen drehte sich dann um meine Arbeit und die Fahrt dorthin.. aber dazu dann im nächsten Teil, den ich morgen veröffentliche, ich bin verdammt K.O. von meiner heutigen Vorleserunde und mein Post ist sowieso schon viiiiiiel zu lang! Hasta luego!
Posted by mañanitas |

Huihuihui, ich hätte früher mit dem Blogschreiben beginnen sollen, absolut. Aber das menschliche Zeitempfinden erlaubt mir eine gewisse Ordnung zu schaffen – und zwar die chronologische.

Das ganze Präludium meiner Abreise verkürze ich mal. Gedacht: „Ach, ich weiß schon deeeermaßen lang, dass ich weggeh' für fast ein Jahr, bin mir vollkommen im Klaren darüber was das bedeutet, also so wie andere in Panik ausbrechen werd' ich garantiert nicht.“ Geschehen: überdurchschnittliche.. PANIK. Allerdings keine, die schwerwiegende Konsequenzen hätte haben können.

Die Mittel für die nächsten 11 Monate in eine Reise- und Laptoptasche und einen 35l Rucksack gepackt, fuhr ich mit meiner Mama und meiner besten Freundin zum Flughafen, um dort einen möglichst unspektakulären Abschied hinzulegen. Von dort aus ging es nach Frankfurt, wo ich auf die anderen Freiwilligen Ava, Lina, Franzi und Rebecca traf, die ich bereits alle auf den zwei Vorbereitungen kennen und lieben gelernt hatte. Der Flug zog sich schon so ein bisschen, aber Beschäftigungen wie leichtes Dösen, Lesen, Quatschen oder ein entspannter Musikaustausch mit Rap-Becca, wodurch ich nun über die „Orsons“ im Bilde bin, halfen darüber hinweg. Songtipp: „Lagerhalle“ (ach DAHER die Überschrift – ja!)

Daaaaaann war es soweit, Ciudad de Mexico erschien unter uns, geschmückt durch sie umringende Berge, Lichter, vielen vielen Straßen und natürlich einer gewaltige Smogwolke. Da waren wir nun also – euphorisch, übermüdet und vollkommen abgedreht. So ziemlich als Letztes aus dem Flugzeug herauskommend, reihten wir uns in der riesigen Schlange für Ausweis- und Visumskontrolle ein. Ganz die Deutschen (interkultureller Austausch erfordert schließlich auch die Bewahrung der eigenen Identität!) äußerte sich jede von uns mal über den Grad ihrer Transpiration. Aber auch diese Meckerei ging vorbei und wir waren durch. Unser Gepäck hatten wir recht schnell, danach ging es nochmal kurz ins Bad, danach erneut durch Gepäckkontrollen und.. endlich hatten wir es geschafft. Wie froh war ich, hinter mir ein „Tineee“ zu vernehmen, welches von Nicole stammte, welche dort mit Andres stand und mir winkte. Auch der AFS-Ehrenamtliche, Fernando, war bereits da. Perfectooooo. Unsere Abholung ließ etwas auf sich warten, ganz in mexikanischer Manière. Doch der Van erschien noch und wir Freiwilligen (Simone aus Dänemark war auch noch hinzugestoßen) + Fernando wurden nach Tlalpán, einem südlichen Bezirk Mexiko-Stadts, gefahren, wo unser on-arrival camp gelegen war. Aufgrund der Dunkelheit (müsste so halb zehn gewesen sein) wirkte alles etwas bedrohlicher, als es dann am Tag der Fall war. Außer einem gemütlichen Abendessen fand nichts mehr statt, hätte auch auf gar keinen Fall funktioniert, in unserem Zustand. Aufgeteilt in 2er-Zimmern schliefen wir das erste Mal in Mexiko! Und es war EISEkalt! Pullover und mehrere Decken waren notwendig. So ist das hier – morgens und nachts sehr kühl, und am Tage, so ab 12.30 wird’s plötzlich sehr warm in der Sonne.

Trotzdem überstanden wir alles sehr gut und am nächsten Tag begrüßte uns die Sonne, wie im schönsten Frühling.
Im Garten unseres Hotels. Nein, Rebecca und mir ist unser peinlicher
Partnerlook NICHT vor dem Foto aufgefallen.



Der Inhalt des Seminars bestand aus reichlichen Tipps, bezüglich der mexikanischen Mentalität, unseren Projekten und Gastfamilien. Alles etwas ähnlich wie auf unseren VB-Seminaren, und doch irgendwie anders, aus mexikanischen Mündern. Besonders die Rallye am zweiten Tag war sinnvoll. Ausgerüstet mit Papier und Stift, mussten wir 3 Aufgaben erledigen. 3 Bilder schießen und sie auf Spanisch beschreiben (oder zunächst auf Spanisch beschreiben lassen, oh je – Leute ansprechen!), die Metrobus-Station ausfindig machen (oh Gott, wieder Leute ansprechen!) und nach Perisur fahren, und, als Letztes, bestimmte typische „Süß“igkeiten (das meiste ist scharf) kaufen. Anschließend wieder zurück zur Herberge fahren. Das allein war schon irgendwie krass. Mexiko-Stadt ist gigantisch, voll, wechselhaft, stressig, schmutzig und zur selben Zeit doch unwahrscheinlich beeindruckend und stellenweise auch schön. Das Busfahren und Einkaufen hatte bereits etwas Alltägliches an sich und erzeugte dadurch viele „wow.. für die nächsten 11 Monate??“-Momente.

Nach der zweiten Nacht sollte es dann also losgehen, für einige nach Tóluca oder in die Nähe, oder aber in einen anderen Teil von Mexiko-Stadt.


Wie das alles so geklappt habt, ..das erfahrt ihr im nächsten Teil! ;)
Posted by mañanitas |

Liebe Freunde, liebe Familie, liebe Bekannte und ver(w)irrte Menschen!
Anlässlich meines kleinen Ortwechsels habe ich beschlossen, einen Blog zu eröffnen, für Euch – und auch für mich. Einerseits nehme ich mir heraus, zu behaupten, dass das, was ich erlebe, für Außenstehende recht interessant sein kann, andererseits hilft mir das Aufschreiben eine Menge beim Reflektieren und Verarbeiten. Ob der Fülle der Informationen könnte man dazu neigen, auf die meisten Details zu verzichten, allerdings entscheide ich mich bewusst dagegen bzw. dafür, da doch gerade die Kleinigkeiten den Unterschied ausmachen..., sogar wenn es noch so ausgelutschte Phrasen sind! ;)
Meine Ausreise steht im Rahmen eines Programms namens weltwärts, welches seit dem Jahr 2007 besteht. In Zusammenarbeit mit über 200 Entsendeorganisationen werden in circa 70 verschiedene Länder Freiwillige befördert, die dort, in einem Projekt, ihre tatkräftige Hilfe anbieten möchten. Meine Organisation ist AFS, die ihren Schwerpunkt auf den interkulturellen Austausch, also auch auf die Unterbringung in Gastfamilien legt. Was das allgemein gestellte Ziel von weltwärts ist, könnt ihr gern auf der Internetseite nachlesen – für mich klingt das Wort „Projekt“ bereits irgendwie fremd, etwas fern von dem, als was ich es mittlerweile empfinde; ich finde, es klingt gar ein wenig abgehoben.
 ALSO! meine Wenigkeit arbeitet und wohnt, unter der Woche, in einem Kinderheim „casa hogar“, in dem Mädchen im Alter von 6-12 Jahren, die entweder nur noch ein Elternteil, oder gar keine mehr haben, leben. Hier nehme ich am gesamten Tagesablauf teil, helfe bei der Vorbereitung des Essens und anderen Hausarbeiten, spiele und verbringe Zeit mit den Kindern. Sehr bald werde ich sie ebenfalls unterrichten – in Deutsch und Französisch und außerdem, dessen bin ich mir inzwischen sicher, werde ich auch Musikunterricht geben! Darüber bin ich unsagbar froh. Alles Weitere erfahrt Ihr dann in meinen Beiträgen!
Verbesserungsvorschläge nehme ich natürlich gern zur Kenntnis und mir eventuell auch zu Herzen! Ich wünsche Euch viel Spaß beim Verfolgen meiner verwirrenden, schönen, unangenehmen, erstaunlichen, vergnüglichen, ernüchternden und in jedem Fall einzigartigen Erfahrungen!

Tine 

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