Mein zweites Wochenende in México und
mein erstes im Casa Hogar! Eigentlich wollte ich mehr so an den
letzten Beitrag anknüpfen, jedoch siegt der Drang, von den
frischesten Erlebnissen zu berichten. Damit die ursprüngliche Idee
aber nicht ganz auf der Strecke bleibt:
|
Ein Bild von meiner puerta! Die Mädels
haben mir noch zwei andere Willkommensbilder gemalt, die im Esszimmer
hängen. Und später hab ich erfahren, dass es noch ein weiteres, viiiiiiiel größeres gab; das hat aber, zur tiefen Erschütterung der Mädchen, der Hund gefressen. Kein Scherz.
|
|
Der gefräßige Übeltäter.
Übeltäterin, um genau zu sein.
Sie hört auf den Namen Estrella
(=Stern)
|
Aber nun zu meinem Samstag. Eigentlich
dachte ich, ich würde auf Safari gehen. Tatsächlich, ich meine
nicht den Web-Browser, sondern diese Sache, die mit wilden,
exotischen Tieren zu tun hat! Ich habe nämlich vor.. drei Tagen,
glaube ich, Carolina näher kennengelernt, welche 21 Jahre alt (in
meinem Alter, juhu!) und auch jeden Tag ein paar Stunden hier ist. :)
sie studiert so etwas wie Lehramt. Und für die fiesta am Montag, die
für den Gründer des Heims stattfindet und für die sie hier alle
wie die Besessenen Tänze und Lieder üben, weshalb das auch einen
Extra-Post verdient, haben wir zusammen zwei Plakate kreiert. Jap, es
ist wahr, ich hab gemalt, ich habe sie gewarnt, dass ich talentlos
bin , sie wollte es trotzdem. Und die Plakate sind wunderschön
geworden!!! Dabei haben wir jedenfalls auch geredet, und ähm
geschrieben. Ja, es kamen Sachen auf, da hat es sich einfach
angeboten, den Laptop und Google Translate zu nutzen :D unter Anderem
habe ich ihr auch erklärt, wie sich das für mich an diesem
Wochenende verhält, dass ich da bleiben muss etc. und da lud sie
mich zu sich und auf Safari-Tour ein. Fragt mich nicht, was daraus
wurde, ich weiß es auch nicht genau. Ich hab sie zwar nochmal nach
ihrer Nummer gefragt und sie am Freitag mehrmals angerufen, aber..
nada. Wer weiß, vielleicht hat sie sich doch fürs Ausschlafen
entschieden, was ich ihr nicht mal übel nähme, da sie wirklich
eingespannt ist, von der Uni. Oder vielleicht hat uns das gemeinsame
in-Bäumen-stecken
gebliebene-Bälle-und-Taschen-mit-Steinen-und-anderen-Bällen,-die-wiederum-ebenfalls-stecken-bleiben,-von-dort-Herunterholen
doch nicht so sehr verbunden, wie ich dachte. Uns wurde auch oft
genug gesagt, dass viele Mexikaner Konflikten, oder eben so was, eher
aus dem Weg gehen, als offen zu sagen, was Sache ist. Aber! - das ist
nicht blöd oder doof, sondern nur anders.
Alles auch halb so wild - hihihi,
wortwitzig, wegen der Safari-Sache! - da ich abends noch mit einer
der Madres „Brot“ (das Essen hier beansprucht auch einen eigenen
Post) kaufen war und sie mir angeboten hat, mit auf eine
Geburtstagsfeier nach Chalco, einem kleineren Dorf im Westen
Mexiko-Stadts zu kommen. Geburtstagsfeier einer Nonne, das heißt..
die Gäste, das sind auch alles Nonnen. Aber natürlich lasse ich mir
keine Gelegenheit des Eindrücke-Sammelns entgehen! Mich hat's auch
echt interessiert, und ganz allein im casa bleiben, das wollte ich
auch nicht unbedingt.
So ging es morgens nach dem Frühstück – oh
ja ich freue mich schon auf den Beitrag übers Essen – auch schon
los, zu dritt. Ich kenne im Übrigen nur drei der vier madres;
nämlich ist eine gerade besonders fleißig am Studieren. Ich
behauptete (Konjunktiv II und nicht Präteritum) zwar ohne Weiteres,
dass die drei eine makellose Einheit bildeten, allerdings gehe ich
schon davon aus, dass alles nochmal einen ganz anderen Flair hat,
wenn die vierte auch dabei ist. Naja, und am heutigen Tag war eine der anderen drei ebenfalls
verhindert, das bedeutet, wie gehabt, wir waren zu dritt.
Zuerst
nahmen wir ein Taxi, dann stiegen wir an einer.. Busstation? ja, ich
denke, man kann es schon so nennen, aus. Wir fuhren mit einem
Gefährt, das ungefähr so aussah.
Meine Kamera wollte ich nicht
mitnehmen, da ich ohnehin wie ein Tourist aussehe. In dieser Umgebung
hab ich bisher glaube ich noch niemanden mit blonden Haaren oder
blauen Augen gesehen. Die an sich nicht allzu störenden Blicke
ignoriere ich aber, und zu mehr kommt es auch nicht, wenn die madres
an meiner Seite sind. Auf dem etwas längeren Weg erstreckten sich
verschiedene Seen mit (lebenden) Enten und unfern waren die Berge zu
sehen. Richtig schön. Naja, ohne den vielen Müll selbsterklärend
noch viel schöner.. ansonsten gab es noch viele, hm doch, schon sehr
heruntergekommende Häuschen. Besonders die Läden wirken nicht
sonderlich attraktiv (auf mich). Außerdem ist es schon ziemlich
ironisch, wenn in einem Geschäft, das Türen verkauft, selbst nicht
mal vernünftige Türen eingebaut sind. Und mir tut es weh,
wenn ich schlafende Kinder oder Streunerhunde sehe.. Aber gut, was
soll man machen, das sind die Verhältnisse. Nichtsdestotrotz behielt
das meiste seinen ganz eigenen Charme. Die Fahrt verging aufgrund
meiner neugierigen Beobachtungen sehr schnell. Nach einer kleinen
Laufstrecke und dem Versuch, Wasserstoffperoxid für meine
Kontaktlinsen zu kaufen – erstmal unwesentlich, kamen wir im
Colegio an, wo sich die Feier abspielen sollte.
EIN GLÜCK BIN ICH DA HIN GEGANGEN!
Anfangs war noch nicht viel los, wir luden unsere Sachen ab und ich
erfuhr, was uns noch so erwarten würde. Unter anderem..
traditionelle, mexikanische Tänze! :) und der religiöse Teil sollte
auch nicht zu kurz kommen.
|
Das Geburtstagskind heißt Rosa oder eben auch Rosíta. |
Die monjas trudelten nach und nach ein,
ich wurde so gut wie.. ach ich glaube allen vorgestellt – ca. 30 an
der Zahl! - darunter auch der Geburtstagsnonne. Ein paar haben mich
gefragt, ob ich vorhätte, zum Kreis dazuzustoßen und eine „monjita“
(=“Nönnchen“, „Nönnlein“) zu werden. Ähm. „Poco
probable“ (=unwahrscheinlich) war meine ehrliche, wenn auch
vorsichtig geäußerte Antwort. War ohnedies alles eher lustig
gemeint :D
Dann ging es auch schon los – mit
einer Art Gebetsrunde. Achso, zuvor fragte ich mich eine meiner
madres, welche Religion ich eigentlich hätte. Oh Mist, die hatten
meine 20seitige AFS-Bewerbung anscheinend nie zu Gesicht bekommen.
Ein bisschen nervös sagte ich, dass ich konfessionslos bin, keine
„religiöse Erziehung“ erfahren habe. Die madre erwiderte nur,
dass sie nur frage, weil ich ja nicht an allem teilnehmen müsse,
falls ich mich nicht wohl fühlte. Ich sagte, dass es mich sehr
interessiere und ob ich zuschauen dürfe, was sie auch bejahte. Puh,
damit war das also auch geklärt. Die „Gebetsrunde“ im Kapellenraum, so nenn ich das mal, bestand aus
mehreren Lesungen aus dem (neuen? alten? Oh Mann ich bin so
unwissend, was das angeht..) Testament und .. Liedern! Warum ich
dieses Ausrufezeichen setze? Weil die mich wahnsinnig berührt, sogar
gerührt haben, sooogaar.. kann ich das zugeben? - fast zu Tränen.
Da es aber garantiert ein wenig merkwürdig gewesen wäre, wenn die
Deutsche in der Ecke da auf einmal anfängt, zu heulen, hab ich mich
zusammengerissen. Doch natürlich habe ich es mir nicht nehmen
lassen, später nach dem Namen des ersten Liedes, das mir am besten
gefiel (muss auch sagen, dass die Gitarrensaiten von Mal zu Mal
falscher gestimmt waren), zu fragen :) eventuell möchte ich das mit
den niñas singen. Das was ich von den lecturas verstanden habe, hat
mir auch gut gefallen. Zum Schluss gab man sich die Hand und wünschte
sich Frieden.
Anschließend wurde, nach Abstimmung,
was zuerst geschehen sollte („comiiidaaaaa“) gegessen. Alles sehr
witzig. Ach, darauf bin ich noch gar nicht eingegangen. Die Nonnen
sind nicht so, wie ihr sie euch vielleicht vorstellt. Das sag ich,
weil ich mich auch getäuscht habe. Sie sind zwar fein und ein wenig
fromm gekleidet – Bluse und Rock, außerdem allesamt kurze Haare,
allerdings nicht in einer schwarzen Robe. Und sie lachen und spaßen
verdammt viel herum. Meine madres im casa hogar sind, neben der
Tatsache, dass sie unglaublich lieb zu mir sind, wirkliche
Scherzkekse. Und abends, da wird auch schon mal eine Telenovela
geschaut. Ein Beispiel. In einer Szene findet eine Frau irgendein
komisches Bild von sich im Computer von jemand Anderem (weitere,
sowieso irrelevante Hintergründe kenne ich nicht) und ruft, tief
erschrocken darüber, jemanden an. Da sagt eine der madres: „Va a
morir.“ = „die wird sterben“, obwohl, mehr so in einem Ton, der
übersetzt hieße „joa, die wird abkratzen.“ Tatsächlich wurde
sie direkt danach erst mal entführt. Gut durchschaut. Wie meine Mama
einen Tatort, nach 10 Minuten. Haha, und wie die Direktorin,
gleichermaßen madre, mit Estrella umgeht, das ist nicht zu glauben.
Sie stupst den Hund an, der „stupst“ zurück, sie schreit. Nein
kichert. Nein kreischt. Alles zusammen! Oder sie rennt vor ihr weg,
sie hinterher, auch alles unter hysterischem Kichern, lauter als jede
der 35 niñas.
Doch zurück zum Partygeschehen. Nach
dem Essen ging das Programm weiter. Reden, Gesänge und Tänze,
inklusive Massen an Freundlich- und Herzlichkeit. Ich bin ziemlich
sicher, dass ich die ganze Zeit über nur gelächelt habe. Ich hab leider nicht die besten Teile der Tänze eingefangen, ich hatte auch nur begrenzten Speicher, sodass auf einmal Ende war, konnte irgendwann auch nichts mehr löschen. Und zur unwürdigen Qualität.. 2 Megapixel-LG-Handy.
Auch
bewegend war die Runde, in der jede madre/hermana einer anderen ein
weißes Band überreichte, mit Worten der Begründung. Manchmal waren
sie auch etwas unsicher, eine leitete mit den Worten ein: „Bueno.
Aquí estoy..“ („Gut. Hier bin ich.“) Also ungefähr so, wie
ich es getan hätte. Ach war das alles niedlich.
|
Die 5 Gitarristinnen/Sängerinnen |
Zum Schluss, para concluir, zelebrierte
man den Akt der Piñata. Eine Art bunte Kugel, gefüllt mit
Süßigkeiten, auf die man so richtig eindreschen muss, damit sie
platzt und die Süßigkeiten herauspurzeln. Gleichzeitig wird
anfeuernd gesungen. Der Reihe nach wurde also mit einem Stock
raufgedroschen. Der erste brach entzwei, das Gelächter war groß.
Als sie dann schließlich doch platzte, stürzten sich alle über die Jahre noch in
Form gebliebene hermanas auf die Süßigkeiten. Was das für ein
Anblick war!!!
Danach wäre wahrscheinlich Schluss
gewesen, doch die Meute verspürte noch Lust, zu tanzen. Nicht soo
viele, doch noch einige, schwangen folglich das Tanzbein. DANACH aber
war Ende. Ich schaute auf die Uhr und konnte gar nicht glauben, dass
es schon 18 Uhr war (wir kamen ungefähr gegen 11.30 Uhr an.)
Der Rückweg gestaltete sich insofern
anders, als wir den zweiten Teil der Strecke zuerst nicht mit einem
Taxi, sondern einem zweiten, größeren Bus zurücklegten. ..Schon
die Anfahrt ließ mich, assoziativ, ein Gespräch mit der madre über
die beiden großen Achterbahnen/Freizeitparks von Mexiko-Stadt
beginnen. Ihr versteht schon. Man steigt übrigens in den Bus dazu,
indem man ihn anhält (außer, man steigt, wie wir, an der
Anfangsstation ein). Man steigt ebenfalls aus, wo man will, man muss bloß
drücken. Der Bus steht für eine Sekunde, öffnet die Türen, man
springt raus. Die Tür geht dann auch nicht zwingend wieder zu.
Begleitet wird die Busfahrt von einem an Lautsprecher angeschlossen
MP3-Player, der Salsa-rhythmus-artige Musik (oh ja da spricht der
Profi aus mir) wiedergibt. Wieder kann ich nur sagen.. hat irgendwie
Charme. Für den Rest des Weges nahmen wir wieder ein Taxi
uuuuuuuuund da waren wir, ganz schön erschöpft.
Wir aßen noch ein bisschen zusammen,
ich bedankte mich herzlich dafür, dass sie mich mitgenommen hatten.
Sie antworteten nur: de nada, ich bin jetzt hier, also bin ich auch
ein Teil der ganzen Familie.