Saturday, October 5, 2013

Posted by mañanitas |

Bewerft mich ruhig mit faulen Eiern, Tomaten, mehrmals getragenen Socken und Lakritze (das eindeutig ekligste von dem Genannten!), ich habe ewig nichts über das schöne Land, in dem ich mich aufhalte und der fast noch schöneren Arbeit, die ich hier verrichten darf, berichtet! Es befindet sich ein Entwurf eines halbherzig begonnenen Artikels in meinem Speicher, in dem ich anfing, über Traumstrände und erworbene Bräune zu berichten, jedoch habe ich den im casa hogar verfassen wollen, wo ich schon wieder voll und ganz, mitsamt meiner recht grossen Nase, im Geschehen steckte, sodass es mir einfach nicht aus den Fingern fliessen wollte. Deswegen heisst dieser Entwurf auch "Das Wesentliche", denn bei all den wunderwunderbaren Urlaubserlebnissen ist es doch mein Dienst, der mein Motiv für meinen Aufenthalt darstellt. Nech?
Ich habe mich also dazu hinreissen lassen, mich überhaupt nicht reflektierend dem mexikanischen Leben hinzugeben, entschuldigt. Das mexikanische Leben ist in diesem September ziemlich ..regnerisch. Eigentlich sollten Juli und August die Regenmonate sein, aber damit zumindest das Wetter in mir kein Heimweh weckt, hat Petrus das anders organisiert in diesem Jahr. Die Mädchen toben also gern im Regen herum, was ich sogar nachvollziehen kann; nur ist da die Angst, dass sie sich erkälten oder sie ihre nasse Sachen hinterher sonst wo hinschmeissen. Ich konnte jedoch gleichzeitig etwas Interessantes beobachten. Bei all dem Umhergerenne, bei dem ich schaue, ob die Mädchen das tun, was sie tun sollen (ich erwähnte doch schon, dass für die Sauberkeit des Hauses verantwortlich sind?) werde ich selbst auch nass. Wenn die Mädchen ankommen und mich knuddeln, sage ich entschuldigend: "Oh du, ich bin etwas nass." und anstatt eines Zurückweichens, weil sie es ohnedies daraufhin merken, kam bisher immer der motivierte Versuch, mich schnell abzutrocken und aufzuwärmen.
Ich habe in der letzten Zeit viel darüber nachgedacht, wie ich hier versuche, etwas zu geben, dabei aber das Tausendfache zurückbekomme. Ich habe in letzter Zeit über noch vieles mehr viel nachgedacht. Erst einmal sollte ich erwähnen, dass wir mit dem Beginn des neuen Jahres mehr Mädchen aufgenommen haben, vorher waren es 36, nun sind es 46; das macht sich durchaus bemerkbar. Einige gingen nach der 6. ab, andere verliessen das Internat aus anderen Gründen, das heisst es gibt weit mehr als nur 10 neue Mädels (das erneute Namenlernen habe ich aber bereits gemeistert). Es ist also anstrengender geworden; auch aus dem Grund, dass zwei der drei madres nun studieren (und das sehr fleissig!). Das heisst, sie gehen am frühen Nachmittag und kommen recht spät am Abend zurück. Dadurch passierte Folgendes ganz automatisch: Ich bin viel strenger mit den Kindern geworden, nun da ein wichtiger autoritärer Teil fehlt. Vorher galt es sich lediglich aus der Ernsthaftigkeit des Unterrichts heraus wieder in eine Spielkompanin zu verwandeln, jetzt muss ich zwischen einer fast durchgehenden und notwendigen (!) Strenge noch Momente zum Spielen und Albernsein suchen. Und der Schalter dafür ist schon ein wenig versteckt gelegen, in einem. Genauso der Katalysator meiner Geduld, der mir bisher so gut gedient hatte.
Ja, die Mädchen wirken jüngst gewagter, rebellisch, ich würde sogar sagen, durchtriebener. Eine andere Frage, die ich mir stelle, seit ich begann, über mehr, als die Namensgebung meiner Kuscheltiere nachzudenken, ist: In wie weit ist ein Mensch, allen voran ein Kind, dafür verantwortlich, wer oder was es ist? Was genau ist der eigene Wille, wann kann man von ihm reden, kann man es überhaupt, jemals? Sind wir nicht alle Unterlegene unserer ständigen Umwelt, allen Menschen, die uns Aufmerksamkeit schenken, noch mehr diejenigen, die für uns sorgen; sind wir nicht elendige Kopierer, dessen, was wir tagtäglich sehen? Was kann das Kind dafür, dass es so handelt, wie es handelt? Jemand hat es ihm beigebracht. Vielleicht hält es das für richtig, vielleicht nur für nicht so falsch, vielleicht einfach für das Beste. Wieso sollten sie den Drang haben, etwas zu geben, was sie selbst nie bekommen haben?
Marteria trifft mich mit seinem allzu wahren Satz, der in einem seiner Lieder vorkommt: "Seltsamer Planet, Kinder haften für die Eltern". Ich empfinde oft so viel Wut, auf diese gar nicht weit von mir entfernten Menschen, die ihre Kinder schlagen, die mit blauen Flecken in meinem Schoss liegen und weinen, ich empfinde manchmal Abscheu und Furcht, vor mir selbst, in diesen schwachen Momenten, in denen ich ungeduldig mit ihnen werde, aufgebracht, weil ich nicht daran denke, dass sie die Opfer, nicht die Schuldigen sind. Oder in denen ich einfach so fertig bin, dass ich nicht mehr lächle, obwohl ich das doch immer und stets tun wollte, wenn ich bei den Kindern bin. Ich weiss, ich bin gerade dabei, sehr streng mit mir und dramatisch zu sein, aber die Wahrheit ist, ich weiss es gar nicht anders auszudrücken, denn es ist dramatisch und ich muss streng mit mir sein, wie ich es auch mit ihnen bin, denn ich habe meine Vorsätze und ich will ihnen gerecht werden.

Das ist es also, das Wesentliche. Ich bin mir bewusst, dass viele Menschen es nicht mögen, frustrierende Dinge zu sehen oder zu lesen, einfach mit ihnen in Berürhung zu kommen, aber ich mag diese Menschen nicht und die selbigen sind hoffentlich nicht die, die meinen Blog lesen; denn Ignoranz ist, was die guten Veränderungen in der Welt lähmt.

Bis zum nächsten, sehr baldigen Mal :)

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